Antisemitismus

Definition, Verbreitung, Straftaten und Verschwörungstheorien

Antisemitismus ist die Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden.

Judenfeindschaft und der Hass auf alles Jüdische existiert schon sehr lange. Jüdinnen und Juden werden in verallgemeinernder Form negative Eigenschaften, angebliche körperliche und charakterliche Merkmale, zugeschrieben. Antisemitismus reicht allerdings über die Feindschaft gegen konkrete Personen hinaus. Er dient als eine Form der Welterklärung, die Jüdinnen und Juden für politische, ökonomische und soziale Prozesse verantwortlich macht.
Antisemitismus bleibt ein gesellschaftliches Problem. Welche Formen des Antisemitismus es gibt, welche Verschwörungstheorien existieren sowie die Geschichte des Begriffs „Antisemitismus“ sind Thema dieses Dossiers.

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Was ist Antisemitismus?

Definition des Begriffs Antisemitismus

Die antisemitischen Erklärmuster können verlockend wirken, da sie mit der pauschalen Begründung, die Juden seien Schuld an allem, für komplexe Probleme eine simple Erklärung anbieten. Insbesondere der Welterklärungsanspruch des Antisemitismus unterscheidet diesen von anderen diskriminierenden und menschenfeindlichen Haltungen und Denkweisen.

Ein Problem in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist, dass es noch keine allgemein akzeptierte Definition des Phänomens gibt. Die Bundesregierung hat im September 2017 die sogenannte „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ angenommen. Auch Dr. Michael Blume, der Beauftragte gegen Antisemitismus der baden-württembergischen Landesregierung, empfiehlt diese Definition in seinem ersten Bericht 2019: 


„Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“


Diese Definition selbst ist recht sparsam gehalten, bietet jedoch eine Reihe von Beispielen, etwa zu israelbezogenem Antisemitismus, die es einfacher machen, Antisemitismus einzuschätzen und zu erkennen (zum ganzen Text).
 

Unterschiedliche Definitionen von Antisemitismus

  • Definition 1

    Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegenjüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.

    („Arbeitsdefinition Antisemitismus“, hier online)

  • Definition 2: Gruppenkonstruktionen mit wertenden Zuschreibungen

    Fragt man allgemein, was Antisemitismus ist, so lassen sich eine Vielzahl von Definitionen formulieren. Geht man davon aus, dass Pädagog_innen mit gesprochener Sprache umgehen, so scheint es zweckmäßig, sich dem Phänomen aus semantischer Perspektive zu nähern. Sprachlich gesehen folgen judenfeindliche Äußerungen einer bestimmten Struktur: Sie enthalten Gruppenkonstruktionen, die jeweils mit wertenden Zuschreibungen verknüpft werden. Auf der einen Seite stehen „die Juden“, auf der anderen eine Eigen- oder Wir-Gruppe. Betrachtet man solche verallgemeinernden Aussagen „über Juden“, so lässt sich festhalten, dass es sich hierbei grundsätzlich um Konstruktionen handelt.

    (Heike Radvan, Aussteigen aus antisemitischen Differenzkonstruktionen; in: Kritik oder Antisemitismus)

  • Definition 3: Der Antisemitismus ist eine freie und totale Wahl

    Der Antisemitismus ist eine freie und totale Wahl, eine umfassende Haltung, die man nicht nur den Juden, sondern den Menschen im allgemeinen, der Geschichte und der Gesellschaft gegenüber einnimmt; er ist zugleich eine Leidenschaft und eine Weltanschauung.

    (Jean-Paul Sartre, Überlegungen zur Judenfrage, Hamburg 1994)

  • Definition 4: Form der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

    Der Beauftragte gegen Antisemitismus begreift Antisemitismus als eine besondere Form der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die enge Verbindung von Antisemitismus und Verschwörungsglauben machen den Antisemitismus dabei zu einer besonders bedrohlichen Form der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die sich gegen den gesamten Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet.

    (Landtag von Baden-Württemberg, Bericht der Landesregierung, 7.9.2018, Drs. 16/4754)

  • Definition 5: Antisemitismus ist mehr als Fremdenfeindlichkeit

    Antisemitismus ist mehr als Fremdenfeindlichkeit, auch mehr als ein soziales oder religiöses Vorurteil. Er ist eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz der Juden die Ursache aller Probleme sieht.

    Werner Bergmann: Was heißt Antisemitismus? Hier online

  • Definition 6: Die Unfähigkeit und Unwilligkeit, abstrakt zu denken

    Mit Blick auf einen kritischen Antisemitismusbegriff, der möglichst viele Perspektiven integriert und dabei hinreichend abstrakt bleibt, würde ich sagen, dass Antisemitismus letztendlich die Unfähigkeit und Unwilligkeit ist, abstrakt zu denken und konkret zu fühlen. Der Antisemitismus vertauscht beides, das Denken soll konkret, das Fühlen aber abstrakt sein, wobei die nicht ertragene Ambivalenz der Moderne auf das projiziert wird, was der/die Antisemit/in für jüdische hält.

    (Samuel Salzborn, hier online)

  • Definition 7: Das Gerücht über die Juden

    Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.
    (Theodor Adorno, Minima Moralia, Frankfurt 2001)

  • Definition 8: Hass und Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden

    Hass und Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden wird Antisemitismus genannt.

    (Amadeu-Antonio-Stiftung: Flyer Antisemitismus)

  • Definition 9

    „Anti-Semitism is the process of turning jews into ‚jews’ .“

    (Brian Klug, The collective Jew. Israel and the new antisemitism. Patterns of Prejudice, 37, S. 117–138, S.124.)

Weitere Informationen: Forschung zum Antisemitismus

Zwei Schwerpunkte

In der Forschung zu Antisemitismus nach dem Nationalsozialismus haben sich zwei idealtypische Hauptstränge herausgebildet:

Ein Strang erforscht Antisemitismus empirisch als (sozial geteiltes) Vorurteil.

Zum Beispiel in den Forschungen zur Gruppenbezogenen Menschfeindlichkeit erscheint Antisemitismus dabei als eine Form von Diskriminierung, die gemeinsam mit anderen Abwertungsformen, zum Beispiel gegenüber Muslimen, Frauen, sozial Schwachen, auftritt. Antisemitismus ist eine Facette eines „Syndroms der Ungleichwertigkeit“.

Ein zweiter Strang erforscht Antisemitismus als Gesellschaftstheorie.

Antisemitismus wird dabei nicht als Vorurteil verstanden, sondern als allumfassendes Welterklärungsmuster. Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn spricht von Antisemitismus als „negativer Leitidee der Moderne“.

Die unterschiedlichen Erkenntnisfragen, Hintergründe und Zielgruppen kommen in den unterschiedlichen Definitionen von Antisemitismus zum Ausdruck.

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Welche Formen des Antisemitismus gibt es?

Kurz & knapp: Formen des Antisemitismus

  • Christlicher Antijudaismus
    (z.B. "Judentum als Gottesmörder")
  • Rassistischer Antisemitismus
    (Judentum wurde als "Rasse" gesehen)
  • Schuldabwehrantisemitismus oder sekundärer Antisemitismus
    (z.B. Holocaustleugnung)
  • Israelbezogener Antisemitismus
    (z.B. Infragestellung des Existenzrechts Israels)
  • Verschwörungsmythen
    (z.B. "Protokolle der Weisen von Zion")

Christlicher Antijudaismus
Judenfeindschaft ist ein sehr altes Phänomen: Der christliche Antijudaismus ist so alt wie das Christentum selbst und beginnt mit der Absetzbewegung der Jesusanhänger vom etablierten Judentum.

Zentrale falsche Motive des Antijudaismus: 

  • Das Motiv, dass das Judentum das Volk der Gottesmörder sei,
  • Das Motiv des Verrats, wobei die biblische Figur des Judas in der Auslegung von Kirchenvätern zum Sinnbild für die Juden wurde.

Die Gegnerschaft führte zu zahlreichen Schuldzuweisungen gegenüber Jüdinnen und Juden. Dabei vermischten sich religiöse mit alltagspraktischen und ökonomischen Motiven, indem Jüdinnen und Juden für zahlreiche Probleme verantwortlich gemacht wurden, für die die Menschen nach einer Erklärung suchten - etwa wenn den Juden die Schuld an Krankheiten wie der Pest oder an verunreinigtem Trinkwasser gegeben wurde.

Mit der Moderne setzte ab dem 18. Jahrhundert ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel ein. Die Industrialisierung begann, die Aufklärung zog ihre Kreise, ebenso wie der Kapitalismus und die Säkularisierung. Dieser Wandel war mit großen Verunsicherungen, Zweifeln und Fragen der Menschen verbunden: Es wurde nach Erklärungen und Verantwortlichen für diese zunehmend komplexeren Entwicklungen gesucht, die oft keinen gesteigerten Lebensstandard mit sich brachten, sondern Armut und Unsicherheit. Antisemitische Versuche, die Welt zu erklären, führten damals wie heute abstrakte gesellschaftliche Prozesse auf machtvolle Entscheidungen von Einzelnen zurück, auf das bösartige Wirken einer Handvoll Verschwörer, die im Hintergrund die Fäden ziehen würden.


Rassistischer Antisemitismus
Eine besondere Form des modernen Antisemitismus ist der rassistische Antisemitismus: Die „jüdische Rasse“ galt dabei als Bedrohung für die in der Hierarchie ganz oben stehende „arische Rasse“. Die den Juden zugeschriebenen körperlichen und charakterlichen Merkmale wurden auf die angebliche „Rasse“ zurückgeführt. Damit galten sie als unveränderlich, ein Übertritt zum Christentum stellte folglich keine Möglichkeit mehr dar, der antisemitischen Verfolgung zu entgehen.

Rassistischer Antisemitismus war der Kern der nationalsozialistischen Ideologie. Man versprach sich von dem Massenmord nicht weniger als das eigene Seelenheil, eine widerspruchsfreie Identität der Gemeinschaft, in welcher dann endlich alles gut werde – deshalb nennt der Historiker Saul Friedländer den nationalsozialistischen Antisemitismus auch „Erlösungsantisemitismus“.

Antisemitismus zur Zeit des Nationalsozialismus - weitere Informationen

27. Januar 1945: Die Befreiung von Auschwitz

Auschwitz ist das Synonym für den Massenmord der Nazis an Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten. Auschwitz ist Ausdruck des Rassenwahns und das Kainsmal der deutschen Geschichte. Während der NS-Zeit ermordeten die Nazis in Auschwitz über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Gefangenen des Konzentrationslagers.

Dossier "Befreiung von Auschwitz"

Reichspogromnacht

Ursachen und Folgen der Ereignisse in der Nacht 9./10. November 1938

In der Nacht 9./10. November 1938 brannten in Deutschland und auch in Baden, Württemberg und Hohenzollern die Synagogen. Juden wurden getötet, verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt, jüdische Geschäfte geplündert. Überall, wo Juden lebten, gab es Pogrome. Die Reichspogromnacht gilt als der Wendepunkt der nationalsozialistischen „Judenpolitik“. Basierten die staatlichen Repressionen bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend auf von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetzen, kam es ab jetzt immer häufiger zu gewaltsamen Aktionen, die im Holocaust kulminierten. Anlässlich des 80. Jahrestags wird nun vielerorts an die Opfer erinnert.
Dossier "Reichsprogromnacht"

Schuldabwehrantisemitismus oder sekundärer Antisemitismus

Nach 1945 setzte sich zwar einerseits langsam die kritische Reflexion von Antisemitismus durch, andererseits entwickelten sich in dieser Zeit in Deutschland neue Variationen, zum Beispiel Schuldabwehrantisemitismus oder sekundärer Antisemitismus. Die Formen, in denen diese Varianten des Antisemitismus zum Ausdruck kommen, reichen von der Holocaustleugnung über verschiedenste Formen der Geschichtsrelativierung bis hin zur Schuldprojektion auf Juden, die bis zur Täter-Opfer-Umkehr reicht. Auch Forderungen nach einem Schlussstrich oder nach vermeintlicher „Normalität“ in Debatten über die Erinnerungskultur sind häufig Elemente dieser Form des Antisemitismus. 


Israelbezogener Antisemitismus

Eine weitere Form des Antisemitismus ist der Israelbezogene Antisemitismus. Das ist eine Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden, die durch die israelische Politik legitimiert wird. Häufig steht man in Debatten über israelbezogenen Antisemitismus irgendwann vor folgender Frage: Ist jede Kritik an der Politik Israels und am Staat Israel antisemitisch? Der sogenannte „drei D-Test“ von Nathan Sharansky kann bei der Klärung dieser Frage helfen: Die "drei D" stehen für

  • Dämonisierung,
  • Delegitimation,
  • Doppelstandards.

Demzufolge sind Äußerungen über Israel dann potenziell antisemitisch, wenn sie auf eine Dämonisierung beziehungsweise Verteufelung, abzielen, wenn sie den Staat delegitimieren und dessen Existenzrecht in Frage stellen oder wenn Doppelstandards angelegt werden, wenn es um die Beurteilung der israelischen Politik geht.


Verschwörungsmythen

Verschwörungsmythen sind Versuche, unverstandene oder unfassbare Phänomene erklärbar zu machen und mit Gleichgesinnten zu teilen. Fast alle Verschwörungsmythen sind offenkundig oder strukturell antisemitisch. Bekannte Verschwörungsmythen sind die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“. Aber auch zu den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001 oder Migrationsbewegungen in Europa gibt es antisemitische Mythen. Diesen Mythen gemeinsam ist, dass sie an sehr unterschiedliche weltanschauliche, politische und religiöse Hintergründe anschlussfähig sind. Weitere Informationen dazu liefert der folgende Abschnitt.

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Warum existieren viele antisemitischen Verschwörungstheorien und welche gibt es?

Antisemitismus und Verschwörungstheorien

Wenn es um die bösen Mächte im Hintergrund geht, die nach den Verschwörungstheorien die Fäden in der Welt ziehen, dann wird häufig wieder ein uraltes Feindbild ausgepackt. Teilweise direkt unmissverständlich, teilweise aber auch nur indirekt und nicht sofort erkenntlich ist immer wieder von „den Juden“ die Rede, die global an den Schaltzentren der Macht sitzen sollen. Die Geschichte hat gezeigt, wie fatal und tödlich derartige Verschwörungstheorien sein können. Warum sind auch heute ausgerechnet Juden in den meisten Verschwörungstheorien immer noch das Feindbild Nummer Eins?

Die lange Geschichte der Judenfeindlichkeit

Kaum eine andere Gruppe wurde in der Menschheitsgeschichte so oft für Verbrechen, Seuchen und Unheil aller Art verantwortlich gemacht wie Menschen jüdischen Glaubens. Schon in der vorchristlichen Zeit lässt sich Judenfeindlichkeit finden. Damals wurden den Juden in erster Linie die Selbstliebe und die Missachtung anderer Religionen vorgeworfen. Mit der Ablösung des Christentums  vom Judentum spitzte sich der Konflikt zu. Es entstand ein Konkurrenzkampf zwischen beiden Religionen um Anhängerschaft und Anerkennung. Die Christen, die sich als „Verus Israel“ („Wahres Israel“) verstanden, warfen den Juden vor,  Jesus Christus verraten und gekreuzigt zu haben. Der Vorwurf als „Christus-Mörder“ hält sich teilweise bis heute, widerspricht aber der historischen Quellenbasis (Quelle: Welt Online).

Die Ausgrenzung der Juden wurde im Mittelalter konsequent weitergeführt. Auf kirchlichen Synoden und Konzilen wurden zahlreiche Gesetze erlassen, wie etwa ein Heiratsverbot zwischen Juden und Christen, die Vorschrift einer äußeren Kennzeichnung, die auf den jüdischen Glauben aufmerksam machen sollte oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch gesonderte jüdische Viertel. Da die jüdischen Gemeinden als Folge dieser Restriktionen in der mittelalterlichen Gesellschaft nur wenig integriert waren, fiel es leicht, sie als Sündenböcke zu instrumentalisieren. Bei Seuchen, die nicht erklärt werden konnten, galten die Juden etwa als „Brunnenvergifter“ und wurden verfolgt. Auch weit verbreitet war die Ritualmordlegende. Als Feinde der Christenheit sollen Juden im Mittelalter hin und wieder Christen entführt und ermordet haben, um ihr Blut für magische oder medizinische Zwecke zu missbrauchen. Vor allem Kinder sollen angeblich ein beliebtes Opfer dieser rituellen Handlungen gewesen sein. Als Folge dieser Vorwürfe waren Menschen jüdischen Glaubens einer ständigen Existenzbedrohung ausgesetzt – Judenpogrome, bei denen Gewalt gegen Juden bis hin zum Mord ausgeübt wurde, setzten sich bis ins 20. Jahrhundert fort.

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Ist Antisemitismus eine Straftat?

Gelebter Antisemitismus ist gesetzeswidrig und somit eine Straftat. Gegen Diskriminierung existieren beispielsweise folgende Gesetze:

  • Charta der Grundrechte der Europäischen Union
    Artikel 21 - Nichtdiskriminierung

    Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

  • Strafgesetzbuch, § 130
    Volksverhetzung

    (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

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Wie verbreitet ist Antisemitismus in Baden-Württemberg?

"Auch Baden-Württemberg muss sich dem Wiederaufflammen eines globalen Antisemitismus stellen: Antisemitische Hassverbrechen haben zuletzt – bei allgemein sinkender Kriminalität – wieder zugenommen." Dieser alarmierende Satz leitet den ersten Bericht des Beauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus ein.

Zum Bericht des Beauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus

Studie: Antisemitismus in Baden-Württemberg. Leipzig-Studien zu Autoritarismus und rechtsextremer Einstellung in Deutschland 2002 – 2018

 

Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten in Baden-Württemberg

 201620172018
Gesamt9599 136
davon: politisch motivierte Kriminalität rechts(unbekannt)92130

Quelle: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration

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Was kann man gegen Antisemitismus tun?

Erinnern - Gedenkstätten in Baden-Württemberg

"Das würdige und verantwortungsvolle Erinnern an die Verbrechen im Namen des NS-Regimes entspricht der bleibenden, historischen Verantwortung unseres Landes und stärkt das Bewusstsein für den Wert von Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt", schreibt Blume, Beauftragter des Landes Baden-Württemberg, in seinem Bericht. 

Die Landeszentrale für politische Bildung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein: Sie ist die zentrale Stelle für die Gestaltung der Gedenkstättenarbeit in Baden-Württemberg. Weitere Informationen bietet das Gedenkstätten-Portal für Baden-Württemberg:
 

Gedenkstätten in Baden-Württemberg

Netzwerk der Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur

Eine vielfältige, dezentrale und weithin ehrenamtliche Gedenkstättenlandschaft prägt die Erinnerungskultur im Land. Etwa 70 Gedenkstätten halten die Verbrechen der Nationalsozialisten im Bewusstsein. Der Landtag von Baden-Württemberg hat die Landeszentrale für politische Bildung mit der Förderung der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen beauftragt. 
www.gedenkstaetten-bw.de

Externe Angebote

Antisemitismus melden

Antisemitische Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen können Sie bei der Meldestelle #Antisemitismus des Demokratiezentrum Baden-Württemberg melden.

Zur Meldestelle

Angebote des Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus

Der Landesbeauftrage gegen Antisemitismus Michael Blume empfiehlt neben dem Aspekt des Erinnerns weitere Maßnahmen gegen Antisemitismus. Dazu gehört unter anderem, die Demokratie zu festigen, zu schützen und gegen Antisemitismus wehrhaft zu machen, die Bürgerinnen und Bürger verstärkt gegen Antisemitismus zu bilden und Zusammenhänge aufzuzeigen.

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Woher kommt der Begriff Antisemitismus?

Begriffsgeschichte

Der Begriff Antisemitismus wurde von Wilhelm Marr geprägt, der ihn 1879 in seiner Hetzschrift „Der Sieg des Judentums über das Germanentum“ popularisierte. Der judenfeindliche Marr forderte gegenüber bisherig gängigeren christlich-theologischen Begründungen der Judenfeindschaft, dem sogenannten Antijudaismus, eine „wissenschaftliche“, „rassentheoretische“ Begründung. Die Publikation war sehr erfolgreich. Marr gründete noch 1879 die „Antisemitenliga“. Die Begriffe Antisemitismus bzw. Antisemit waren also zunächst Eigenbezeichnungen von Judenfeinden. 

Die Geschichte des Begriffs zu kennen, ist wichtig, da vordergründige Ähnlichkeiten zum sprachwissenschaftlichen Begriff Semitismus bestehen. Über diese Ähnlichkeiten wird ab und an versucht, das Phänomen Judenfeindschaft klein zu reden oder wegzureden, indem gesagt wird, Araber als Semiten könnten nicht antisemitisch sein.

Zumindest im deutschen Sprachraum ist Antisemitismus seit 1945 in der Regel keine Selbstbezeichnung mehr - das bedeutet, dass so gut wie niemand von sich selbst sagen würde, er sei ein Antisemit.

"Die öffentliche Sanktionierung des Antisemitismus nach 1945 hat dazu geführt, dass antisemitische Einstellungen in der bundesdeutschen Öffentlichkeit selten offen geäußert werden, teilweise jedoch im privaten Raum überdauern." 

Zu diesem Schluss kommt die frei zugängliche Studie „Aber es gibt keine Antisemiten mehr: Eine experimentelle Studie zur Kommunikationslatenz antisemitischer Einstellungen" von 2010. Diese Kommunikationslatenz und die Umwegskommunikation, zum Beispiel über so genannte Israelkritik, erschweren die Erforschung von, aber auch die Auseinandersetzung mit Antisemitismus.

 

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Publikationen

Band Gedenkstätten
Ausgrenzung – Raub – Vernichtung

NS-Akteure und »Volksgemeinschaft« gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945. Neue Forschungsergebnisse zur Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern.
Info und Bestellen

Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen

Wahrnehmen – Benennen – Handeln

zum Download

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Was ist Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, kurz GMF, ist ein sozialwissenschaftlicher Begriff, der abwertende und ablehnende Einstellungen gegenüber Personen oder Personengruppen zusammenfasst. 

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Erscheinungsformen des Antiziganismus

Jahrzehnte hat es gedauert, bis der Völkermord an den Sinti und Roma als solcher anerkannt und in das öffentliche Gedenken einbezogen wurde. Die historische Aufarbeitung dauert an. Auch der Antiziganismus ist noch immer existent und nicht überwunden. Unser Dossier zeichnet die Geschichte der deutschen Sinti und Roma im 20. Jahrhundert bis heute nach, informiert über Erscheinungsformen des Antiziganismus und stellt Handlungsstrategien vor.

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Letzte Aktualisierung: 15. Juli 2020, Internetredaktion der LpB BW

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